Gesetzliche Renten könnten nicht mehr existieren, wenn du in den Ruhestand gehst
RiskArticle30. Oktober 2020
Für einige Nationen wird es finanziell immer schwieriger, gesetzliche Renten anzubieten. Zurich Insurance Group (Zurich) und VICE schauen sich an, was das für unsere Zukunft bedeutet.
Glaubst du, dass deine gesetzliche Rente mit der deiner Eltern oder Grosseltern mithalten kann? Als Millennial oder der Generation danach solltest du daran denken, dass gesetzliche Renten nicht mehr existieren könnten, wenn du in 30 oder 40 Jahren in den Ruhestand gehst. Für einige Nationen wird es finanziell immer schwieriger, eine gesetzliche Rente anzubieten, da wir immer länger leben und nicht mehr so viele Kinder haben wie früher. Diese demografische Entwicklung bedeutet, dass weniger Menschen arbeiten und mehr Menschen Rente beantragen. Das wiederum bedeutet, dass Regierungen in Zukunft schwierige Entscheidungen treffen werden.
In Deutschland hat die Regierung damit angefangen, das Renteneintrittsalter schrittweise von 65 auf 67 anzuheben. Es gibt Diskussionen, beispielsweise mit der Deutschen Bundesbank, weitere Änderungen in den kommenden Jahren vorzunehmen. Mit der steigenden Lebenserwartung in ganz Europa, ist es wahrscheinlich, dass das gesetzliche Renteneintrittsalter auch in anderen Ländern steigen wird.
Gordon Clark, Professor an der Oxford University, sagt gegenüber VICE: “Mit 63/65 in Rente zu gehen, stimmt nicht mehr mit dem System überein. Mit 65 ist man heute gesünder als noch vor 25 Jahren. Die Menschen leben länger. Vor 25 Jahren lag die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes bei 78/79, jetzt bei 83/85.”
Das liegt teilweise daran, dass das System der gesetzlichen Rente nicht für die Moderne, oder für die heutigen Zwecke, ausgelegt wurde. Dr. Stefan Kroepfl, Head of Strategy im Bereich Global Life bei der Zurich Insurance Group (Zurich), sagt: “Als das Rentensystem 1890 in Deutschland eingeführt wurde, war das Renteneintrittsalter das gleiche wie heute, und zwar 70 Jahre. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag damals in Deutschland um einiges niedriger. Das bedeutete nicht, dass niemand Rente bekam, sondern dass viele Menschen starben, bevor sie Rente beanspruchen konnten. Diejenigen, die eine gesetzliche Rente genossen, lebten danach durchschnittlich weitere sieben bis acht Jahre.”
Laut Kroepfl leben wir heute nach dem Ruhestand mehr als doppelt so lang: “Heute liegt die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland nach dem Ruhestand bei weiteren 17 bis 18 Jahren für Männer und bei 21 Jahren für Frauen.”
Während Frauen meist länger leben, sind sie anfälliger für Probleme, wenn sie in den Ruhestand kommen. Vor allem dann, wenn sie im Mutterschaftsurlaub waren, um sich ihren Kindern zu widmen. “Viele Anzeichen sprechen dafür, dass Frauen die Verlierer in dieser Art von System sind, da Männer ihr ganzes Leben angestellt bleiben”, sagt Clark. “Man muss sich diese Systeme in Bezug auf Gerechtigkeit langfristig ansehen, da Frauen, die im Durchschnitt mit dem gleichen Gehalt anfangen, am Ende grundsätzlich eine geringere betrieblichen Altersvorsorge bekommen.”
Laut Kroepfl gibt es nur einige wenige Möglichkeiten, wie wir die Probleme der gesetzlichen Rente angehen können: “Entweder kann der monatliche Beitrag erhöht oder die Rentenauszahlung herabgesetzt werden. Es gibt noch etwas, um das System zu stabilisieren, das Renteneintrittsalter zu erhöhen.”
Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters bedeutet, dass diejenigen von uns, die noch nicht in Rente sind, länger arbeiten müssen. Das heisst aber nicht zwangsläufig, dass wir die gleichen Jobs machen oder nur annähernd so viel arbeiten, wenn wir älter werden. “Unsere Anpassungsfähigkeit hat sich im Laufe der Zeit verbessert”, sagt Clark. “Die Menschen sind gesünder und machen ganz andere Jobs als noch vor 35 Jahren, die körperlich weniger anstrengend sind, sondern auf die mentale Produktivität abzielen.”
Auch wenn unsere Arbeit vielleicht einfacher wird, müssen wir uns immer noch Gedanken machen, wie wir in den Ruhestand gehen – falls wir das jemals tun werden. “Die gesetzliche Rente könnte womöglich gar nicht existieren, zumindest nicht in der Form, wie wir sie heute kennen”, warnt Kroepfl. “Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass der monatliche Beitrag erhöht wird. Wenn die Leute heute in einem jüngeren Alter in den Ruhestand gehen wollen oder mit einem höheren Lebensstandard in die Rente gehen wollen, müssen sie den Beitrag selbst bezahlen. Das ist unübersehbar.”
Doch laut Kroepfl gibt es auch positive Aussichten: “Die einzige Lösung, die ich anbieten kann, ist Zeit. Um für deinen Ruhestand zu sparen, können selbst kleine Geldbeträge, die du regelmässig weglegst, gross werden. Auf 30 bis 40 Jahre gesehen, wirst du dir im Alter ein schönes Leben machen können. Wenn du finanzielle Schwierigkeiten haben solltest, fange klein an, aber mache es regelmässig und höre nie damit auf.”